Was zu einer positiven Candidate Experience bei Onlinebewerbungen gehört

Bewerber zeigen sich bei der Stellensuche von ihrer besten Seite – erwarten aber dasselbe von ihrem potentiellen Arbeitgeber. Jeder Berührungspunkt zwischen Unternehmen und Bewerber sollte so positiv wie möglich in Erinnerung bleiben, unabhängig davon, ob der Bewerbungsprozess mit einem Jobangebot oder einer Absage endet. Der Begriff Candidate Experience fasst alle Erlebnisse und Erfahrungen des potentiellen Mitarbeiters während des Bewerbungsprozesses zusammen. Aus der Summe der Eindrücke entwickelt der Kandidat eine persönliche Beurteilung des Unternehmens, die entweder positiv oder negativ ausfällt.

Bringt ein Unternehmen seinen potentiellen Mitarbeitern keine Wertschätzung entgegen, kann das schwere Folgen haben. Wie die Studie „Bewerbungspraxis 2018″ der Universitäten Bamberg und Frankfurt ergab, haben 60,3% der 6000 Befragten bereits ein Stellenangebot nicht angenommen, weil das Vorstellungsgespräch einen negativen Eindruck hinterließ.

Bei ihrer „Candidate Experience Studie 2018“ fanden Unternehmensberater Christoph Athanas von metaHR und Peter M. Wald, Professor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, zudem heraus, dass 80,3% mit Freunden und Bekannten über Bewerbererfahrungen sprechen. 24,6% berichten in sozialen Netzwerken von ihren Erfahrungen. Eine negative Candidate Experience kann also nicht nur dazu führen, dass ein Unternehmen Fachkräfte verliert, sondern kann auch das Image beschädigen und andere potentielle Bewerber abschrecken.

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Kommunikationsdefizite im digitalen Bewerbungsprozess

Im oft unpersönlichen Online-Recruiting gibt es viele Stolpersteine, die für eine negative Candidate Experience sorgen und dem Unternehmen dadurch im Kampf um qualifizierte Mitarbeiter schaden können. In erster Linie bemängeln Bewerber die nicht ausreichende Kommunikation vieler HR-Abteilungen. 91,4% empfinden den Bewerbungsprozess als negativ, wenn sie nur eine automatisierte Bestätigung zum Eingang der Bewerbung erhalten, der Arbeitgeber sonst aber keinen Kontakt mit ihnen aufnimmt. Das ergab eine Umfrage des US-amerikanischen Personalvermittlers Qualigence International. 86% der Befragten stört es zudem, wenn der Erhalt ihrer Bewerbung gar nicht bestätigt wird, und 83% sind unzufrieden mit dem Bewerbungsprozess, wenn sie nicht darüber informiert werden, sobald eine Stelle, auf die sie sich beworben haben, besetzt wurde.

Was heißt das für den Recruiter? Der ideale Bewerbungsprozess verläuft schnell, professionell und transparent. Effektive Kommunikation beginnt bereits bei der Stellenanzeige. Laut der Umfrage von Qualigence International stören sich 89% der Bewerber an zu kurzen Ausschreibungen. Die fünf wichtigsten Informationen, die Bewerber in einer Stellenausschreibung erwarten, sind laut „Candidate Experience Studie 2014“ eine genaue Beschreibung mit Aufgaben und Verantwortlichkeiten (96,8%), Informationen zu geforderten Fähigkeiten sowie fachlichen und persönlichen Anforderungen (89,2%), Angaben über mögliche Arten der Anstellung (71,7%), ein konkreter Ansprechpartner (57,7%) und Angaben zum gewünschten Ausbildungs- und Erfahrungslevel (56,8%). Eine realistische und präzise Ausschreibung senkt die Zahl der Nachfragen und verhindert, dass sich passende Fachkräfte nicht bewerben.

Bewerber wollen anschließend während des gesamten Prozesses über den Status ihrer Bewerbung informiert sein. Das reicht von der obligatorischen Bestätigung, dass die Bewerbung eingetroffen ist, bis zur finalen Zu- oder Absage. Viele Recruiter sortieren ungeeignete Bewerber direkt am Anfang aus, ohne den Kandidaten zu informieren und verschenken damit viel Potential: Denn die Candidate Experience kann bei einer professionellen und zeitnahen Absage immer noch positiv ausfallen. Wer statt der üblichen Floskeln eine kurze persönliche Einschätzung oder Hinweise an den Bewerber einfügt, punktet besonders. Zudem schätzen die meisten Bewerber eine persönliche, telefonische Absage mehr als eine schriftliche.

Vor- und Nachteile von IT-gestützten Bewerbungsverfahren

Je mehr Bewerbungen eine Firma erhält, desto schwieriger ist jedoch das Kandidatenmanagement und desto weniger Zeit bleibt für persönlichen Kontakt. Moderne Technologien können dabei helfen – Bewerber und Recruiter stehen einem digitalen Bewerbungsprozess immer offener gegenüber. Bereits 83,5% der Bewerber bevorzugen laut „Candidate Experience Studie 2014“ eine Online-Bewerbung per E-Mail oder Formular.

Firmen, die ihren Bewerbungsprozess komplett online abwickeln, können auf Bewerbermanagementsysteme zurückgreifen. Besonders nützlich ist es, wenn der Bewerber im Karrierebereich der Unternehmenswebsite ein eigenes Profil anlegen kann, in dem er den Stand seiner Bewerbung jeder Zeit nachvollziehen kann. Das hat zudem den Vorteil, dass nicht nur die Personalabteilung, sondern beispielsweise auch die zuständige Fachabteilung gleichzeitig Bewerbungen sichten können.

IT-Lösungen dürfen allerdings nicht nur dem Unternehmen die Arbeit erleichtern, auch die Nutzerfreundlichkeit muss stets im Vordergrund stehen: Die durchschnittliche Zeit, die Bewerber zum Ausfüllen eines Online-Bewerbungsformulars akzeptieren würden, beträgt 24 Minuten. 11% der Befragten sind nicht bereit, mehr als zehn Minuten zu investieren. Die verwendeten Abläufe und Technologien müssen daher aus Sicht des Bewerbers auf ihre Praktikabilität getestet werden.

Recruiter haben einen enormen Einfluss darauf, wie die Candidate Experience verläuft. Das scheint vielen nicht bewusst zu sein: Nur 17% der Befragten der „Candidate Experience Studie 2014“ hatten das Gefühl, dass sich die Unternehmen, bei denen sie sich beworben hatten, für die Bedürfnisse des Bewerbers interessierten. Wer in diesen Bereich investiert, kann sich also als Arbeitgeber deutlich von der Konkurrenz absetzen. Recruiter sollten den Bewerbungsprozess so kurz und präzise wie möglich gestalten. Kontinuierliche Kommunikation, bevorzugt persönlich, spielt eine entscheidende Rolle für eine positive Candidate Experience und trägt entscheidend dazu bei, eine professionelle, freundliche Beziehung zwischen Bewerber und Unternehmen aufzubauen. Die Professionalität des herkömmlichen Bewerbungsprozesses muss ebenfalls für den wachsenden Bereich der Online-Bewerbungen gelten. Der Bewerber sollte Höflichkeit und Wertschätzung erfahren, egal auf welchem Weg er sich bewirbt und egal, ob er für die gesuchte Position geeignet ist.

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